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LG Hamburg AZ 308 O 109/12 vom 21.9.2012: Unwirksamkeit der Abmahnung

Von

Das LG Hamburg AZ 308 O 109/12 hat mit Urteil vom 21.9.2012 (noch nicht rechtskräftig):

  • I.    Dem Beklagten wird bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, wobei die Ord¬nungshaft insgesamt zwei Jahre nicht überschreiten darf,
  • verboten
  • es Dritten zu ermöglichen, den Film „X“ im Internet über eine Filesharingbörse öffentlich zugänglich zu machen.
  • II.    Im Übrigen wird die Klage — in dem nach übereinstimmender Teilerledigungserklärung verbliebenen Umfang — abgewiesen.
  • III.    Die Kosten des Verfahrens fallen dem Kläger zu 3/5 und dem Beklagten zu 2/5 zur Last.
  • IV.    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, und zwar hinsichtlich Ziffer I. gegen
  • Sicherheitsleistung in Höhe von 12.000,- € und hinsichtlich Ziffer gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages

III. .
Tatbestand
Der Kläger macht Ansprüche wegen des Angebotes eines pornografischen Films in einem Filesharing-Netzwerk geltend.
Der Kläger ist Inhaber der ausschließlichen Nutzungs- und Verwertungsrechte an dem pornografischen Film „X“. Unter dem 31.8.2010 ließ der Kläger den Beklagten anwaltlich abmahnen (Anlage K 13). Das Abmahnschreiben enthielt den Vorwurf, dass der
o.g. Film am 10.1.2010 um 10:51:58 Uhr unter der IP-Nummer    vom Anschluss des Beklagten in einer Internettauschbörse zum Download angeboten worden sei.
Nachdem hierauf keine Reaktion des Beklagten erfolgt war, hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben. Er hat ursprünglich beantragt, den Beklagten als Täter, hilfsweise als Störer, zu verurteilen, es bei Vermeidung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel zu unterlassen, den streitgegenständlichen Film im Internet öffentlich zugänglich zu machen bzw. dies Dritten zu ermöglichen, Schadensersatz in Höhe von mindestens 1.000,- € zu leisten sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 859,80 € zu erstatten. Im Termin vom 8.8.2012 haben die Parteien den Rechtsstreit hinsichtlich der Anträge auf täterschaftliche Unterlassung und Schadensersatz übereinstimmend für erledigt erklärt.
Der Kläger beantragt nunmehr noch:

  • 1.    Es wird dem Beklagten verboten, es Dritten zu ermöglichen, das urheberrechtlich geschützte Filmwerk „Casting Girls 009″ ohne Einwilligung des Klägers im Internet über eine Filesharingbörse öffentlich zugänglich zu machen.
  • 2.    Dem Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht, wobei die Ordnungshaft insgesamt zwei Jahre nicht überschreiten darf.
  • 3.    Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Rechtsan-waltskosten in Höhe von 859,80 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Pro-zentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

  • die Klage abzuweisen.

Er bestreitet, dass die im Abmahnschreiben angeführte IP-Adresse zum fraglichen Zeitpunkt ihm zugeordnet gewesen sei. In der von der Klägerseite vorgenommenen Zuordnung der IP-Adresse sei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein rechtswidriger Eingriff in sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu erblicken. Er habe den streit-gegenständlichen Film nicht heruntergeladen und erst recht nicht in einer Tauschbörse an-geboten. Am 10.1.2010 habe er in seiner damaligen Wohnung im Flur einen nicht passwort-geschützten PC aufgestellt gehabt, der für jedes Familienmitglied zugänglich gewesen sei.
Er habe damals — wie auch heute — mit seiner Lebensgefährtin,    , zusammen
gelebt. Das ältere Kind, , habe an diesem Tag in der Wohnung seinen sechsten Geburtstag nachgefeiert. Ab ca. 10:00 Uhr seien 10 bis 15 Personen, bei denen es sich um seine und seiner Lebensgefährtin Eltern und Geschwister gehandelt habe, in der Wohnung zu Gast gewesen. Der PC im Flur sei für jeden zugänglich gewesen. Entweder habe jemand von außen seinen PC „gehackt“ oder es habe irgendein anderes Familienmitglied, das an dem Tag zu Besuch gewesen sei, ohne sein Wissen den PC benutzt. Schließlich rügt der Beklagte die örtliche Unzuständigkeit des Landgerichts Hamburg. Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen, auf das Sitzungsprotokoll vom 8.8.2012 sowie auf die Entscheidungsgründe verwiesen.

Entscheidungsgründe
I.    Die Klage ist zulässig, insbesondere ist die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Hamburg gegeben. Gegenstand des Verfahrens ist das widerrechtliche öffentliche Zugänglichmachen eines urheberrechtlich geschützten Films im Internet. Das ist eine unerlaubte Handlung, bei der neben dem allgemeinen Gerichtsstand auch der besondere Gerichtsstand gemäß § 32 ZPO eröffnet ist, wobei dem Kläger zwischen beiden Gerichtsständen gemäß § 35 ZPO ein Wahlrecht zusteht. Nach § 32 ZPO ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die beanstandete Handlung begangen worden ist. Das ist jeder Ort, an dem auch nur eines der wesentlichen Tatbestandsmerkmale des Delikts verwirklicht worden ist, also nicht nur der Begehungsort, sondern auch der Erfolgsort. Als (potentieller) Erfolgsort einer Urheberrechts-verletzung ist jeder Ort anzusehen, zu dem die angegriffenen Inhalte objektiv einen deutli¬chen Bezug aufweisen. Dafür ist nicht, wie bei marktbezogenen Delikten wie Wettbewerbs-verletzungen, auf die bestimmungsgemäße Abrufbarkeit abzustellen. Vielmehr kommt es lediglich darauf an, dass an dem jeweiligen Ort eine Kenntnisnahme nach den Umständen des konkreten Falls erheblich näher liegt als dies aufgrund der bloß theoretischen Möglichkeit des Abrufs der Fall wäre (vgl. dazu: BGH, GRUR 2010, 461 (Tz 16 ff.) — „The New York Times“). Eine besondere Beziehung des Rechtsstreits zum Gerichtsstandort Hamburg in diesem Sinne ist vorliegend gegeben: Filmaufnahmen in Filesharing-Systemen sollen gerade ohne jede lokale Beschränkung von beliebigen anderen Teilnehmer des jeweiligen Systems abgerufen werden können, mithin auch von Teilnehmern aus Hamburg.
II.    Die Klage ist hinsichtlich des — nach übereinstimmender Teilerledigungserklärung
verbliebenen — Unterlassungsantrags aus Störerhaftung begründet, hinsichtlich des Gebührenerstattungsantrags ist sie unbegründet

1.    Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch folgt aus § 97 Abs. 1 S. 1 UrhG.
a)    Der streitgegenständliche Film genießt jedenfalls als Laufbild im Sinne des § 95 UrhG urheberrechtlichen Schutz. Als Filmhersteller ist der Kläger im Sinne des § 94 UrhG aktivlegitimiert. Dies wird auch vom Beklagten nicht in Abrede genommen.
b)    Als unstreitig hat zu gelten, dass der streitgegenständliche Film unter der vom Kläger bereits in der Abmahnung vom 31.8.2010 angegebenen IP-Adressen über eine Filesharingsoftware zum Download angeboten wurde und diese Adresse zum fraglichen Zeitpunkt dem Beklagten als Anschlussinhaber zugewiesen war.
Die Auskunft, dass die vom Kläger angeführte IP-Nummer zum fraglichen Zeitpunkt dem Beklagten zugeordnet war, erfolgte durch die Deutschen Telekom AG auf der Grundlage eines entsprechenden Gestattungsbeschlusses des Landgerichts Köln vom 26.7.2010 (Az. 204 0 56/10) gemäß § 101 UrhG. Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen insoweit nicht.
Für Auskunftsansprüche von Rechtsinhabern gegenüber Diensteanbietern hinsichtlich der Anschlussinhaber bestimmter IP-Adressen, für deren Ermittlung auf vorsorglich gespeicherte Telekommunikationsdaten zurückgegriffen werden muss, müssen nicht von Verfassungs wegen die sonst für die Verwendung solcher Daten geltenden besonders strengen Voraussetzungen vorliegen. Danach ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die Bestimmung des § 101 Abs. 9 Satz 1 UrhG in Verbindung mit der Re gelung des § 101 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UrhG die Verwendung von Verkehrsdaten zur Auskunftserteilung in den Fällen gestattet, in denen — wie vorliegend — ein Auskunftsantspruch wegen einer offensichtlichen Rechtsverletzung gegen eine Person besteht, die in gewerblichem Ausmaß für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbracht 1.1t (BGH, B. v. 19.4.2012, I ZB 80/11, www.bundesgerichtshof.de, Rn. 44 ff. — „Alles kann besser werden“).
Den auf der Grundlage der Auskunft der Deutschen Telekom AG erfolgten Vortrag des Klägers, dass der streitgegenständliche Film am 10.1.2010 um 10:51:58 Uhr unter der IP
Nummer    ‚ vom Anschluss des Beklagten in einer Internettauschbörse zum Download angeboten worden sei, hat der Beklagte nicht wirksam bestritten. Insbesondere liegt insoweit kein wirksames Bestreiten mit Nichtwissen im Sinne des § 138 Abs. 4 ZPO vor. Der eigene Haushalt und der darin vorgehaltene Internetanschluss zählen zum eigenen Ve-rantwortungsbereich des Beklagten. Für Vorgänge innerhalb dieses Verantwortungsbereichs ist ein Bestreiten mit Nichtwissen nur nach Einholung zumutbarer Erkundigungen zulässig. Danach hätte der Beklagte vorliegend zumindest die weiteren Haushaltsangehörigen zu dem in Rede stehenden Sachverhalt befragen müssen (vgl. dazu: Greger,in: Zöller, ZPO, 28. Aufl., § 139, Rn. 16). Dazu hat der Beklagte nichts vorgetragen.
c)    Da die angegriffene Nutzung des öffentlichen Zugänglichmachens des streitgegenständlichen Films jedenfalls gemäß § 94 Abs. 1 S. 1 UrhG ausschließlich dem Kläger vorbehalten und ohne dessen Einverständnis erfolgt ist, war sie widerrechtlich.
d)    Für die eingetretene Verletzung haftet der Beklagte als Störer. Als Störer kann grundsätzlich haften, wer — ohne Täter oder Teilnehmer zu sein — in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal an der Herbeiführung einer rechtswidrigen Beeinträchtigung mitgewirkt hat, sofern er die rechtliche Möglichkeit zur Verhinderung der Verletzung gehabt hätte. Um die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte zu erstrecken, die den jeweiligen Eingriff nicht selbst vorgenommen haben, haftet der Störer jedoch nur im Falle der Verletzung sogenann¬ter Prüfpflichten (dazu: BGH, U. v. 30.6.2009, Az.: VI ZR 210/08, Absatz-Nr. 18, www.bundesgerichtshof.de). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
aa)    Der Beklagte haftet weder als Täter noch als Teilnehmer. Die durch die Inhaberschaft der vom Kläger ermittelten IP-Adresse ausgelöste Vermutung der Täterschaft (vgl. dazu: BGH, U. v. 12.5.2010, Az.: I ZR 121/08, Absatz-Nr. 12, www.bundesgerichtshof.de — „Sommer unseres Lebens“) hat der Beklagte wirksam erschüttert, indem er substantiiert Umstän¬de vorgetragen hat, aus denen die ernsthafte Möglichkeit folgt, dass ein Dritter unter unbe¬fugter Nutzung seines Anschlusses die Verletzung begangen hat (vgl. zu dieser Anforderung an die sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers: OLG Köln, B. v. 24.3.2011, Az.: 6 W 42/11, Juris, Absatz-Nr. 9). Das folgt bereits daraus, dass nach dem insoweit unbestrittenen Vortrag des Beklagten im fraglichen Zeitpunkt jedenfalls die Lebensgefährtin des Beklagten Zugriff auf den PC des Beklagten hatten. Im Übrigen hat die Kammer bereits mit Beschluss vom 21.5.2012 darauf hingewiesen, dass sie den Vortrag des Beklagten so versteht, dass sein Computer über einen ungeschützten WLAN-Zugang verfügte. Dem ist der Beklagte. nicht entgegengetreten und der Kläger hat diesen Vortrag nicht bestritten. Auch hieraus folgt die ernsthafte Möglichkeit der Täterschaft eines Dritten, nämlich mittels eines unbefugten W-LAN-Zugriffs. Den somit wieder uneingeschränkt dem Kläger obliegenden Nachweis der Täterschaft des Beklagten hat der Kläger nicht erbracht.
bb)    Eine willentliche und adäquat kausale Mitwirkungshandlung des Beklagten an der eingetretenen Verletzung ist vorliegend jedenfalls in der Ermöglichung des Zugriffs auf den PC des Beklagten durch seine Lebensgefährtin sowie im Betrieb eines WLAN-Netzes durch en Beklagten zu erblicken. Insoweit hätte der Beklagte auch sowohl die rechtliche als auch clie tatsächliche Möglichkeit zur Verhinderung der Verletzung gehabt.
Schließlich hat der Beklagte auch ihm obliegende Prüfpflichten verletzt. Unerheblich ‚ist insoweit, ob und inwieweit Hinweis- und Kontrollpflichten bei der Nutzung eines Internetanschlusses durch einen erwachsenen Haushaltsangehörigen (hier: die Lebensgefährtin des Beklagten) bestehen. Eine Prüfpflichtverletzung ist dem Beklagten jedenfalls im Hinblick auf den Betrieb seines
WLAN-Netzes vorzuwerfen. Der Betreiber eines privaten WLAN-Netzes muss er nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (a.a.O., Rn. 32 ff.) an seinem Router nicht nur die zum Kaufzeitpunkt marktüblichen Sicherungen installieren, sondern auch ein ausreichend langes und sicheres persönliches Passwort vergeben. Der Beklagte hat dazu nichts vorgetragen, so dass davon auszugehen ist, dass er im Verletzungszeitpunkt ein gänzlich ungesichertes WLAN-Netz betrieb.
Die Wiederholungsgefahr ist durch die rechtswidrige Erstbegehung indiziert. Hinsichtlich des Antrags auf Erstattung außergerichtlicher Kosten für die Abmahnung vom 31.8.2010 ist die Klage hingegen unbegründet. Der insoweit geltend gemachte Anspruch folgt insbesondere nicht aus § 97a Abs. 1 S. 2 UrhG.
In der Abmahnung heißt es unter Ziffer 1.4:
Nach dem zuvor dargestellten Sachverhalt ist erwiesen, dass von Ihrem Anschluss aus zu den oben genannten Zeitpunkten das oben genannte Filmwerk zum Download angeboten wurde.
Selbst wenn Sie diese Handlung nicht persönlich vorgenommen haben sollten, bestehen zivilrechtlich, nach den Grundsätzen der Störerhaftung, dennoch Ansprüche gegen Sie.
[.•]Soweit damit die Möglichkeit in den Raum gestellt wurde, der Beklagte habe für die angegriffenen Verletzungshandlungen als Täter einzustehen, weil er sie persönlich vorgenommen habe, war die Abmahnung bereits nicht begründet, denn dieser Vorwurf hat nach den obigen Ausführungen als unzutreffend zu gelten.

b)    Soweit die Abmahnung hingegen auf eine etwaige Störerhaftung des Beklagten abstellte, war sie zwar begründet, da eine Störerhaftung des Beklagten — wie oben festgestellt — tatsächlich besteht; insoweit war die Abmahnung aber nicht „berechtigt“ im Sinne des § 97a Abs. 1 S. 2 UrhG. Auch eine an sich begründete Abmahnung ist nur dann berechtigt, wenn sie objektiv erforderlich und geeignet ist, dem Abgemahnten den kostengünstigsten Weg aus dem Konflikt aufzuzeigen (vgl. dazu: Dreier, in: Dreier/Schulze, UrhG, 3. Aufl., § 97 a, Rn. 8, unter Verweis auf: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 26. Aufl., § 12, Rn. 1.68 und 1.80, sowie aus dem Markenrecht: BGH, U. v. 22.1.2009, I ZR 139/07, www.bundesgerichtshof.de, Absatz-Nr. 11 ff.). Dies war vorliegend im Hinblick auf die Störerhaftung des Beklagten nicht der Fall.

Eine Abmahnung muss u.a. mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck bringen, welches konkrete Verhalten beanstandet wird. Das bedeutet, dass der Gläubiger in der Abmahnung den Anlass seiner Beanstandung ganz konkret bezeichnen muss, damit der Schuldner weiß, was genau für den Gläubiger den „Stein des Anstoßes“ bildet. Um ihren Zweck zu erfüllen, muss also in der Abmahnung der Sachverhalt, der den Vorwurf rechtswidrigen Verhaltens begründen soll, genau angegeben und der darin erblickte Verstoß so klar und eindeutig be-zeichnet werden, dass der Abgemahnte die gebotenen Folgerungen ziehen kann (zu all dem: OLG Düsseldorf, B. v. 14.11.2011, 1-20 W 132/11, Juris, Absatz-Nr. 4, m.w.N., u.a. auf Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl., § 12, Rn. 1.15).
Die Abmahnung vom 31.8.2010 enthielt zwar an der bereits oben zitierten Stelle den Hinweis:
Selbst wenn Sie diese Handlung [den angegriffenen „Download“] nicht persönlich vorgenommen haben sollten, bestehen zivilrechtlich, nach den Grundsätzen der Störerhaftung, dennoch Ansprüche gegen Sie. Dies ist deshalb der Fall, weil die Rechtsverletzung zweifelsfrei von Ih-rem Internetanschluss aus begangen wurde. Das Überlassen eines Internetanschlusses an einen Dritten birgt nämlich die nicht unwahrscheinliche Möglichkeit, dass von einem Dritten solche Rechtsverletzungen begangen werden.
Dieser Hinweis war indes rechtlich unzutreffend. Das gilt insbesondere deshalb, weil er unterschlug, dass eine Störerhaftung — sei es im Falle des Betriebes eines WLAN-Netzes oder im Fall der aktiven Überlassung des Internetanschlusses an einen Dritten — nur unter der zusätzlichen Voraussetzung der Verletzung etwaig bestehender Prüfpflichten in Betracht kommt. Insoweit wurde in der Abmahnung auch das dem Beklagten konkret vorwerfbare Verhalten nicht so klar und eindeutig bezeichnet, dass dieser die gebotenen Folgerungen ziehen konnte. Konkret vorwerfbar war nämlich nicht das „Überlassen“ des Internetanschlus-ses an Dritte bzw. der Betrieb eines WLAN-Netzes an sich, sondern nur die insoweit unzureichende Beachtung von Prüfpflichten, vorliegend jedenfalls das Unterlassen der Vornahme hinreichender Sicherungsvorkehrungen beim Betrieb des WLAN-Netzes des Beklagten.
Hinzu kommt, dass in der Abmahnung apodiktisch behauptet wurde, der Beklagte hafte auch auf Schadensersatz, obwohl dies auf den bloßen Störer schon aus Rechtsgründen von vorn-herein nicht zutreffen kann (BGH, U. v. 12.5.2010, Az.: I ZR 121/08, Absatz-Nr. 17, www.bundesgerichtshof.de — „Sommer unseres Lebens“).
Schließlich trug auch die der Abmahnung — wenn auch nur „beispielsweise“ (vgl. Ziffer 111.1 der Abmahnung) — beigefügte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung nicht dazu bei, dem Beklagten einen geeigneten Weg aus dem Konflikt zu weisen, sondern war ganz im Gegenteil dazu angetan, den Beklagten zur Abgabe einer Erklärung zu veranlassen, die er gar nicht schuldete. In der vom Kläger vorgeschlagenen Erklärung sollte sich der Beklagte strafbewehrt verpflichten, es zu unterlassen urheberrechtlich geschützte Filmwerke des Gläubigers oder Teile hiervon, insbesondere das Filmwerk „X“, ohne Zustimmung insbesondere im Internet öffentlich zugänglich zu machen, zu verbreiten oder zu vervielfältigen.
Diese Formulierung verfehlt gleich in mehrfacher Hinsicht die dem Beklagten konkret vorwerfbare Verletzungsform. Selbst im Falle einer unterstellten Täterhaftung des Beklagten wäre sie deutlich zu weit gegangen: Zum einen erstreckte sie sich nach ihrem eindeutigen Wortlaut auf sämtliche „urheberrechtlich geschützte(-n] Filmwerke des Gläubigers oder Teile hiervon“, obwohl nur hinsichtlich des einen streitgegenständlichen Films eine Erstbegehung und damit eine vermutete Wiederholungsgefahr vorlag; zum anderen bezog sie die Nutzungshandlung des Verbreitens ein, für die ebenfalls keine Erstbegehung ersichtlich war.
Noch bedeutsamer ist vorliegend indes, dass die vom Kläger vorgeschlagene Erklärung gerade nicht den Fall der Störerhaftung erfasste. Täter- und Störerhaftung stehen in einem Aliud-Verhältnis zueinander. Im Fall der bloßen Störhaftung kann nur eine Erklärung verlangt werden, in der sich der Schuldner verpflichtet, es zu unterlassen, Dritten Rechtsverletzun¬gen der genannten Art zu ermöglichen (vgl. dazu: BGH, U. v. 12.5.2010, Az.: I ZR 121/08, Absatz-Nr. 36, www.bundesgerichtshof.de — „Sommer unseres Lebens“). Selbst wenn der Beklagte die vom Kläger vorgeschlagene Erklärung unterzeichnet hätte, wären somit Zweifel verblieben, ob hierdurch die Wiederholungsgefahr hinsichtlich seiner Störerhaftung überhaupt beseitigt worden wäre.[Hervorhebung nur hier]
HI.    Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91a, 92, 709 ZPO.
Soweit die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, hat der Klä-ger gemäß § 91 a ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Der auf eine Täterhaftung des Beklagten gerichtete Verbotsantrag sowie der Antrag auf Leistung von Schadensersatz waren nach den obigen Ausführungen von Anfang an unbegrün-det. Insoweit entspricht es daher billigem Ermessen, dem Kläger die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Zwar mag in Filesharing-Fällen aus Treu und Glauben im Gegenzug zur Abmahnlast des Gläubigers und der „in der Abmahnung zum Ausdruck kommenden Rücksichtnahme auf die Interessen des Störers“ (vgl. dazu OLG Köln, B. v. 9.9.2010, 6 W 114/10 + 6 W 115/10, Ju¬ris, Rn. 14.) eine Obliegenheit des bloßen Störers bestehen können, auf die Abmahnung hin bereits vorprozessual Erklärungen abzugeben, die die Vermutung seiner Täterschaft er-schüttern, weil sonst der Gläubiger vorhersehbar — gestützt auf die aus seiner Sicht fortbestehenden Vermutung der Täterschaft des Schuldners — einen täterschaftlichen Klagantrag stellen und damit quasi „ins offene Messer“ laufen wird. Jedenfalls gegenüber Privatpersonen, bei denen eine Kenntnis der einschlägigen Rechtsprechung nicht vorausgesetzt werden kann, kommt dies aber allenfalls dann in Betracht, wenn in der Abmahnung auf die soeben beschriebene Obliegenheit ausdrücklich und laienverständlich hingewiesen wurde. Denn allenfalls dann wird man von einer „in der Abmahnung zum Ausdruck kommenden Rücksichtnahme auf die Interessen des Störers“ sprechen können, die diesem eine realistische Chance eröffnet, die nach der Rechtsprechung bestehende Vermutung seiner Täterschaft bereits vorprozessual wirksam zu entkräften. Diesen Anforderungen wurde die Abmahnung des Klägers vom 31.8.2010 aus den oben ausgeführten Gründen nicht gerecht.
Die tenorierte Kostenverteilung (3/5 zu Lasten des Klägers, 2/5 zur Lasten des Beklagten) folgt daraus, dass der für das Unterlassungsinteresse u.a. maßgebliche Angriffsfaktor bei einem Störer in diesem Verhältnis geringer zu bewerten ist als bei einem Täter. Denn der Störer nimmt keine gezielte willentliche Verletzung vor, sondern haftet nur wegen der Verletzung von Prüfpflichten (vgl. Hans. OLG, Beschluss vom 23.06.2010, Gz.: 5 W 61/10 und 5 W 67/10). Angesichts des für die Unterlassungsanträge angemessenen Streitwertes in Höhe  von 20.000,- € fielen die weiteren Klaganträge für die Kostenentscheidung nicht mehr nennenswert ins Gewicht.

Stellungnahme: Wir hatten in diesem Blog schon mehrfach auf diese neue Entwicklung am LG Hamburg hingewiesen. Eine Kommentierung und Gesamtdarstellung ist in Arbeit.

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