AG Hamburg Urteil v. 20.12.13 – 36 a C 134/13 – Schadensersatz Deckelung auf 100,00 EUR
Die interessanten Entscheidungen reissen nicht ab, wir haben derzeit einige Entscheidungen über die wir in diesem Blog vertieft berichten wollen. Den Anfang soll die vielbeachtete Entscheidung des Amtsgericht Hamburgs zur 100,00 EUR Schadensersatz Deckelung machen. Die Begrifflichkeit „Schadensersatz Deckelung“ soll Erinnerung an die 100,00 EUR Anwaltkosten Diskussion erzeugen, in der Entscheidung wird der Schadensersatz natürlich sauber geschätzt und nicht „gedeckelt“:
Der Kläger kann den Ersatzanspruch grundsätzlich nach den Grundsätzen über die Lizenzanalogie berechnen, § 97 Abs. 2 Satz 3 UrhG. Hiernach steht dem Kläger eine angemessene Lizenzgebühr in der Höhe zu, die vernünftige Parteien bei Abschluss eines fiktiven Lizenzvertrages in Kenntnis der wahren Rechtslage und der konkreten Umstände des Einzelfalls als angemessene Lizenzgebühr vereinbart hätten. Dafür ist in erster Linie auf eine eigene Lizenzierungspraxis des Rechteinhabers abzustellen. Die konkrete streitgegenständliche Nutzungsart – Angebot in einer Internet-Tauschbörse – lizenziert der Kläger jedoch nicht. Die vom Kläger vorgetragenen Lizenzierungen sind für den hier zu beurteilenden Fall nicht fruchtbar zu machen. Der Beklagte als Internetnutzer ist eine natürliche Person. Die Nutzung fand außerhalb einer gewerblichen Tätigkeit im privaten Bereich statt, es sollten und konnten damit keine Einkünfte des Beklagten erzielt werden. Es kann zudem allenfalls um die Bewertung eines einfachen Nutzungsrechtes gehen, da der Kläger von
sämtlichen, jedenfalls aber sehr vielen ermittelten Tauschbörsenteilnehmern bezogen auf einen Film jeweils lizenzanalogen Schadensersatz fordert. Dann würden aber mehrere einfache Nutzungsrechte nebeneinander bestehen, was bei der Ermittlung eines angemessenen Lizenzentgeltes, wenn denn ein solches vereinbart worden wäre, ebenfalls entscheidend zu berücksichtigen wäre. Demgegenüber trägt der Kläger zu Lizenzierungen an gewerblich Tätige zur dauerhaften Nutzung und wirtschaftlichen Verwertung vor, welche zudem auch alle andere Filme als den hier in Streit stehenden betreffen. Selbst wenn es insofern ebenfalls um ein nicht ausschließliches Nutzungsrecht ging, geht es doch um gewerbliche Nutzung. Dies ist etwas völlig anderes als die private Internetnutzung und das Angebot im privaten Bereich an illegale Tauschbörsennutzer. Daher ist der lizenzanaloge Schadensersatz gemäß § 287 ZPO nach freier richterlicher Überzeugung zu schätzen. Im Wege der Schätzung gemäß § 287 ZPO erachtet das Gericht 100 € für den in Rede stehenden Pornofilm als
lizenzanalogen Schadensersatz für angemessen, aber auch allemal ausreichend. Für die Schätzung eines angemessenen lizenzanalogen Schadens durch eine widerrechtliche öffentliche
Zugänglichmachung urheberrechtlich geschützter Werke im Wege des Filesharing sind zunächst folgende Gesichtspunkte wesentlich und zu berücksichtigen: Die Anzahl der Downloads ist nicht bekannt, und Filesharing- Programme sind nicht auf eine Erfassung der Anzahl der Downloads angelegt (vgl. hierzu auch OLG Köln, Urteil vom 23.03.2012, Az.: 6 U 67/11, zitiert nach Juris). Die Zahl möglicher Tauschbörsenteilnehmer und Downloads ist unkontrollierbar. Die Ermöglichung eines Downloads in einem Filesharing-Netzwerk führt mittelbar zu einer Vervielfachung der Verbreitung, da die Filesharing-Programme in ihren Grundeinstellungen vorsehen, dass eine heruntergeladene Datei ihrerseits wieder zum Abruf bereitgehalten wird. Auf der anderen Seite ist auch zu berücksichtigen, dass in zeitlicher Hinsicht nur eine punktuelle Nutzungshandlung über den Internetanschluss des Beklagten vorgetragen wurden und ohne weitere Anhaltspunkte nicht von einer längeren Nutzungsdauer als maximal 1 Tag ausgegangen werden kann. Bei einer Schätzung des Lizenzanalogie-Schadens nach § 287 ZPO spielt nämlich die Zeitdauer der Verletzungshandlung eine nicht nur untergeordnete Rolle (vgl. Schricker/Loewenheim/Wild, Urheberrecht, 4. Aufl. §97 Rn. 158). Weiter ist im Rahmen der Schätzung des sog. lizenzanalogen Schadensersatzes zu berücksichtigen, dass das Angebot in einem Filesharing-Netzwerk von vorneherein gerade nicht an eine unbegrenzte „weltweite Öffentlichkeit“ gerichtet ist, sondern lediglich an die Teilnehmer eben dieses konkreten Netzwerkes, mag deren Anzahl selbst auch nicht bzw. schwer feststellbar oder begrenzbar sein, die nicht legale Angebote im Internet nutzen. Dieser Personenkreis ist von vornherein erheblich eingeschränkt. Angesichts dessen, dass die meisten
Angebote in solchen Tauschbörsen illegal sind, kann nämlich nicht unterstellt werden, es handele sich dabei um eine Anzahl von Nutzern, die der Internetnutzerschaft insgesamt auch nur ansatzweise entspreche. Dies gilt um so mehr, als es sich offenbar um einen deutschsprachigen Film handelt und zudem aufgrund entsprechender Berichterstattung in allen Medien zumindest in Deutschland inzwischen weitgehend bekannt ist, dass die Nutzung von Internettauschbörsen häufig illegal ist.
Diese Ausführungen des Gerichts sind nach meiner Meinung ein sehr guter Überblich über den Meinungsstand zu der Frage der Höhe des Schadensersatzes.
Den Ansatz bei einer punktuellen Ermittlung von einer maximalen Tagesnutzung auszugehen finde ich ebenfalls wohldurchdacht. In einigen Verfahren, die wir am Amtsgericht München begleiten habe die Gerichte in Hinweisbeschlüssen bei behaupteten Rechtsverletzungen über mehrere Tage einen Schadensersatz von nicht mehr als ca. 300,00 EUR für schlüssig gehalten. Wenn ich es mir hätte wünschen dürfen, wäre noch eine Klarstellung zur Einordnung „jedenfalls gemäß 95 UrhG als Bildfolge geschützt“ wünschenswert gewesen. Anders als die zwar sinnvolle aber etwas überhastete 100,00 EUR Anwaltskosten Deckelung samt Diskussion, wird die Schadensersatz Deckelung halten und bundesweit bei den Gerichten Gefolgschaft finden.
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