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AG Köln 125 C 495/13 v. 10.03.2014: 260,50 EURO für ein aktuelles Album von Universal

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Das AG Köln AG Köln 125 C 495/13 v.  10.03.2014 hat aktuell ein Teil Versäumnis Urteil erlassen, nach dem eine Klage der Kanzlei Rasch auf knapp 3.800 EUR wegen der Verbreitung eines Albums in einer Tauschbörse zu 93 % abgewiesen wurde. Die von Rasch vertretene Universal bekam 260,50 EURO zugesprochen. Zur Begründung führte das Gericht aus.

Die Klägerin kann von dem Beklagten weiter die Zahlung von 130,50 € gemäß § 97 a Abs. 1 Satz 2 UrhG a. F. verlangen. Nach Auffassung des Gerichts ist der Unterlassungsanspruch der Klägerin gegen den Beklagten mit einem Streitwert von 1.000,00 € anzusetzen. Diesen Streitwertansatz gibt das Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken in dem durch es eingeführten § 97 a Abs. 3 UrhG vor. Allerdings gilt diese Bestimmung erst ab dem 9. Oktober 2013 und damit nicht im vorliegenden Fall. Doch ist vorliegend der seit 2008 geltende alte § 97 a UrhG anzuwenden, der nach seinem Absatz 2 Gebühren für eine erstmalige Abmahnung bei in einfach gelagerten Fällen mit einer nur unerheblichen Rechtsverletzung außerhalb des geschäftlichen Verkehrs auf 100,00 € begrenzte. Diese Voraussetzungen liegen hier bis auf den Umstand, dass es sich bei Filesharing nach Auffassung des Gerichts nicht um einfach gelagerte Fälle von Urheberrechtsverletzung handelt, vor. Von den Rechtsfolgen her legt diese Regelung daher auch ein Streitwert von 1.000,00 € nahe. Jedenfalls erscheinen Streitwertbemessungen von 50.000,00 € oder gar 10.000,00 € pro Musiktitel mithin im vorliegende Fall von 130.000,00 € als völlig übersetzt.
Es entsteht der Eindruck, dass die herrschende Rechtspraxis die beiden, die anwaltlichen Abmahngebühren bewusst begrenzenden gesetzlichen Regelungen aus den Jahren 2008 und 2013 offensichtlich soweit irgend möglich, ignoriert. In den Augen der interessierten Öffentlichkeit hat sich ein „Abmahnunwesen“ bzw. eine „Abmahnindustrie“ etabliert. Dem ist nicht gegen den erkennbaren Willen des Gesetzgebers durch die Zubilligung überhöhter Streitwerte Vorschub zu leisten. Insoweit darf auf die oben zitierten Worte der Bundesregierung und die Stellungnahme des Bundesrates vom 3. Mai 2013 verwiesen werden, nach der die herrschende Abmahnpraxis in der Öffentlichkeit als „Abzocke“ wahrgenommen und das Institut der Abmahnung in Misskredit gebracht wird.
Der herrschenden Meinung ist schließlich entgegenzuhalten, dass sie völlig im Unklaren lässt, wie die angesetzten Streitwerte bemessen werden: Das Interesse an dem Unterlassen eines Filesharings eines populären Werks insgesamt ist sicherlich regelmäßig mit Streitwerten von Millionen von Euro anzusetzen, das Interesse daran, dass eine Person weniger, nämlich der jeweilige Beklagte an diesem teilnimmt, ist mit 1.000,00 € sicherlich nicht zu niedrig angesetzt. Damit stellen sich die gängigen Wertfestsetzungen als faule Kompromisse dar.

Das Gericht setzt den Streitwert mit 1.000,00 EUR an und argumentiert im Wesentlichen damit, dass der Gesetzgeber schon mehrfach versucht habe, die anwaltlichen Kostenerstattungsansprüche zu begrenzen, die „Rechtspraxis“ dies aber ignoriere. In Ergänzung dieser historischen Argumentationslinie verweist das AG Köln darauf, dass bei der bisherigen Argumentationspraxis die Tatbeiträge der anderen Tauschbörsennutzer dem Einzelnen mit zugerechnet würden. Mithin eine Gesamtschau angestellt werde, die den tatsächlichen Tatbeitrag des Einzelnen ignoriere, was zu dem hohen Streitwert führe.

Hinsichtlich des Schadensersatzes führt das Gericht aus:

Die oben zitierte Vorschrift des § 97 Abs. 2 Satz 3 UrhG zwingt dazu, dass sich Verhandlungen der Parteien über die Höhe eines entsprechenden Lizenzentgeltes für die Legalisierung der rechtswidrig getätigten Nutzung vorzustellen und zumindest hinsichtlich des Lizenzentgelts zu einem der Realität möglichst nahekommenden Ergebnis zu gelangen (sogenannte Lizenzanalogie). Bei diesen Vertragsverhandlungen sind die realen Umstände zu berücksichtigen, hier insbesondere die Realität einer millionenfachen urheberrechtswidrigen Nutzung des Werks durch die Teilnehmer der modernen Filesharing-Netzwerke. In dieser Situation wäre ein Angebot der Klägerin zu erwarten, bei dem das Lizenzentgelt für die Legalisierung der Teilnahme an dem Filesharing generell in der Größenordnung der Entgelte für die legale Nutzung, etwa dem Kaufpreis für eine entsprechende CD, liegen würde. Das Gericht hat berücksichtigt, dass kein Rechteinhaber die Kontrolle über die Verbreitung seiner Werke gerne und preisgünstig abgibt und daher ein Lizenzentgelt angenommen, das mit 10,00 € pro Musiktitel im obersten Bereich der bei Berücksichtigung der oben dargestellten Umstände vorstellbaren Lizenzentgelte liegt.

Hier scheint das Gericht darauf abzustellen, dass die Anzahl der zu vergebenden Lizenzen,den Wert der einzelnen Lizenzen beschränkt. Dies ist auch durchaus plausibel, als eine besonders exklusive Lizenz ein höheres Entgelt erzielen wird, als eine Lizenz, die tausendfach oder gar millionenfach erteilt wird.

Stellungnahme:
Nach meiner Meinung liest man in dem Urteil zwischen den Zeilen recht klar, dass das Gericht der Auffassung ist, dass die entwickelten dogmatischen Grundlagen auf die Filesharing Fälle nur begrenzt anwendbar sind. Dem ist klar zuzustimmen. Ob 260,50 EUR jetzt die korrekte Summe sind, mag man bezweifeln, darauf kommt es aber auch nicht im Detail an. Die Entscheidung  ist wohl eher  als Antipol zu der bisherigen Rechtssprechungspraxis zu verstehen, eine Art „invitatio ad deliberandum“.  Die bisherige Rechtsprechungspraxis erkennt das Gericht nämlich als „faulen Kompromiss“.

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