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Amtsgericht Düsseldorf vom 29.07.2015, Az. 10 C 20/15: 2.5000 EUR

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Das AG Düsseldorf Az. 10 C 20/15 hat mit Entscheidung vom 29.07.2015  sehr hohe Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast festgestellt und  2.500,00 EUR auf Klage der Kanzlei Waldorf Frommer zugesprochen. Diese Entscheidung erscheint nicht unproblematisch:

1. Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast

Das AG Düsseldorf, aaO führte zu den Anforderungen an die skundäre Darlegungslast aus:

„Der Beklagte teilt lediglich mit, dass sowohl er wie seine Ehefrau Internetzugang mit einem eigenen Gerät gehabt haben und bei Besuchen der beiden erwachsenen Kinder mit deren Lebenspartner diese ebenfalls eigenständig Zugang zum Internet gehabt hätten. Wie das Nutzungsverhalten der 3 weiteren Personen am Verletzungstag war, legt der Beklagte ebensowenig offen, wie die Nutzungsgewohnheiten der einzelnen Nutzer bzw. deren Musikgeschmack Nach der Bearshare-Entscheidung des BGH trifft den Anschlussinhaber auch eine Recherchepflicht. Auch hierzu ist das Beklagtenvorbringen gänzlich unergiebig. Da nur die Internetzugangssituation im Verletzungszeitraum generell mitgeteilt wird, sich aus dem Beklagtenvorbringen aber keine Anhaltspunkte dafür ergeben, wer als Täter für die Verletzung überhaupt konkret in Betracht kommt, bleibt es bei der Vermutung, dass der Anschlussinhaber der Verletzer ist.“

Zunächst ist festzuhalten, dass nach meiner Kenntnis die Rechtssprechung am AG Düsseldorf – sogar innerhalb der Abteilung – sehr unterschiedlich ausfällt. Die hier in dieser Strenge formulierten Anforderungen werden so auch nicht von allen Richtern am zuständigen Gericht geteilt. Die mitgeteilten Ausführungen erscheinen nicht überzeugend. Die Rechtsverletzung lag schon mehrere Jahre in der Vergangenheit, es ist damit fakisch ausgeschlossen, dass Zeugen sich konkret an Vorgänge erinnern.

Das HansOLG AZ 5 W 47/13 hat in einem Beschluss v. 2. Februar 2015 lehrreich ausgeführt:

Jedenfalls in einem solchen Fall würde es die darlegungsrechtlichen Verantwortlichkeiten „auf den Kopf stellen”, wenn der Anschlussinhaber -quasi vorsorglich — eine lückenlose Buchführung über die Nutzung seines Internetzugangs durch Dritte führen müsste, um dann für den Fall einer Inanspruchnahme entsprechende Auskunft geben zu können. Denn im Ausgangspunkt obliegt es einem Anspruchsteller, die Voraussetzungen für das Vorliegen des geltend gemachten Anspruchs dazulegen und geltend zu machen (bzw. im Klagefall zu beweisen). Die genannte sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers bedeutet nämlich ebenso wenig eine Umkehr der Beweislast wie eine über seine prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast hinausgehende Verpflichtung des Anschlussinhabers, dem Gegner alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen.

Ein tatzeitbezogener Vortritt ist auch deswegen unbrauchbar, als Computer bekanntlich auch in Betrieb sein können, ohne dass ein Nutzer davorsitzt. Im Übrigen besteht eine Nachforschungspflicht ohnehin allenfalls im Rahmen der Prozessvorbereitung worauf das Amtsgericht Hamburg AZ 36 a C 134/14 v. 3. Juli 2015 hinweist:

Die Beklagte musste auch nicht vortragen, wer Täter der Rechtsverletzung ist, oder wer nicht als Täter in Betracht kommt. Das hat der BGH gerade verneint (BGH, BearShare, a.a.0): „Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast dadurch, dass er vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen.“ Danach muss kein Täter benannt werden, zumal sich die Beklagte damit gegebenenfalls in einen Konflikt im Sinne von §§ 55, 52 Abs. 1 StPO, 384 Nr. 2, 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO begeben müsste. Die sekundäre Darlegungslast kann jedoch nicht dazu führen, dass gesetzlich normierte Zeugnisverweigerungsrechte ausgehöhlt werden, die den innerfamliären Zusammenhalt und das innerfamiliäre Vertrauensverhältnis in Ansehung möglicher strafrechtlicher Verfolgung schützen.
Rechtlich verlangt werden können eine Ermittlung zum Nutzungsverhalten und vor allem Vortrag dazu im Prozess ohnehin nicht, wenn zu den weiteren Nutzern ein Näheverhältnis im Sinne des § 383 ZPO besteht und der Anschlussinhaber daher aufgrund bestehender Zeugnisverweigerungsrechte nicht zur Mitteilung des Ermittlungsergebnisses verpflichtet ist. Wer aber ein Ergebnis der Ermittlungen nicht mitzuteilen hat, den trifft von vornherein folgerichtig auch keine Ermittlungspflicht.
Soweit die Klägerin meint, die Beklagte sei im Rahmen ihrer Nachforschungspflicht gehalten gewesen, durch eigene Recherche herauszufinden, ob sich auf den im Haushalt befindlichen Rechnern bzw. internetfähigen Geräten ein Tauschbörsenprogramm oder der streitgegenständliche urheberrechtlich geschützte Pornofilm befindet, werden damit die Grenzen der Zumutbarkeit deutlich überschritten. Darüber hinaus setzt die Nachforschungspflicht des Anschlussinhabers auch nicht bereits mit Zugang der Abmahnung ein, sondern erst mit Zustellung der Anspruchsbegründung oder Klageschrift im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens, da die Nachforschungspflicht gerade Inhalt der sekundären Darlegungslast und damit einer prozessualen Rechtsfigur ist (Forch, GRUR Prax 2015, 49). Der Umfang der Nachforschungspflicht wird vom Bundesgerichtshof in der Bear-Share-Entscheidung auf zumutbare Nachforschungen beschränkt. Zumutbar ist nur das, was zum einen tatsächlich möglich und zum anderen rechtlich zu verlangen ist. Die Internetnutzung gehört zum Familienalltag und wird üblicherweise nicht aufgezeichnet. Es ist daher angesichts der hiesigen Klageschrift, die erst deutlich über ein Jahr nach der behaupteten Rechtsverletzung überhaupt verfasst und zugestellt wurde, nicht mehr möglich, das konkrete Nutzungsverhalten anderer Anschlussnutzer am behaupteten Tattag und einer gewissen Zeitspanne vor diesem Zeitpunkt nachträglich zu ermitteln. Das dürfte, abhängig von der Zahl der Nutzer, der Uhrzeit des behaupteten Rechtsverstoßes und anderen Umständen des Einzelfalls, im Wesentlichen auch dann gelten, wenn man für den Beginn der Nachforschungspflicht entgegen hier vertretener Auffassung auf den Zugang der Abmahnung abstellen und insoweit eine relativ kurze Zeitspanne von nur — wie hier — circa zwei Wochen zwischen behaupteter Rechtsverletzung und Zugang der Abmahnung zugrunde legen würde.

Generell ist zu beobachten, dass die Vertreter der strengen Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast  wie auch das LG München mit zweierlei Maß messen. Während es nämlich im Rahmen des Ausräumens der Täterschaftsvermutung nicht auf die Anwesenheit des Beklagten ankommen soll – weil der PC auch in Abwesenheit funktioniert und auch die Werkskategorie keine überragendes Argument gegen die Täterschaft darstellen soll, soll dies im Rahmen der sekundären Darlegungslast nicht gelten.

2. Schadenshöhe von 2.500,00 Schadensersatz bei einem Album

Das Amtsgericht Düsseldorf,  Az. 10 C 20/15 v. 29.07.2015 hat beim Schadensersatz in die Vollen gegriffen und den Schaden (mindestens eingeklagt waren 450,00 EUR) sehr hoch geschätzt:

„Während das angerufene Urhebergericht bisher der Auffassung war, dass dem jeweiligen Rechteinhaber für jedes Musikstück eines in einer Tauschbörse vertriebenen Albums je 100.-€ Schadensersatz zustehen, schließt sich das Gericht nunmehr der Bewertung von LG und OLG Köln an, die in den Entscheidungen des BGH vom 11.6.15 laut der bisher nur als Presseveröffentlichung vorliegenden Information bestätigt worden sind, wonach jedes Stück eines populären Albums mit 200.-€ angemessen zu bewerten ist.“

Persönlich halte ich das Berufen auf  einer Presseerklärung, die nicht einmal vom Berichterstatter des Senats erstellt wurde, für unglücklich. Zwar beruft sich das AG Düsseldorf, aaO ausdrücklich auch auf die Vorentscheidungen, verkennt dabei aber die erheblichen Unterschiede. Die diesen Entscheidungen zugrundeliegende Sachverhalte betrafen mehrere hundert oder gar tausend Lieder  von denen nur wegen 7-8 Schadensersatz eingeklagt wurde. Dies mögen die Gerichte nicht unebeachtlich in ihre Überlegungen haben einfließen lassen. Die Summen können daher nicht 1:1 auf „Alben-Fälle“ übertragen werden.

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