Der BGH AZ I ZR 86/15 schränkt weiter Störerhaftung beim Filesharing ein
Der BGH arbeitet im Moment mit Hochdruck daran, die Störerhaftung beim Filesharing einzuschränken. Die folgenden Ausführungen basieren auf den Pressemitteilungen des BGH, der Volltext liegt noch nicht vor. Der BGH hat in der Entscheidung AZ I ZR 86/15 klargestellt, dass den Inhaber eines Internetanschlusses, der volljährigen Mitgliedern seiner Wohngemeinschaft, seinen volljährigen Besuchern oder Gästen einen Zugang zu seinem Internetanschluss ermöglicht, keine anlasslose Belehrungs- und Überwachungspflicht trifft. Der Anschlussinhaber haftete also – zumindest nach dem Text der Pressemitteilung – generell nicht für Rechtsverletzungen anderer volljähriger Personen.
Haftet nun niemand mehr in WGs?
Zu kurz springt, wer nun mutmaßt, dass WGs – bzw die Anschlussinhaber eines WG Anschlusses – sich dann jeglicher Haftung entziehen können: Nur wenn der Täter bekannt ist, muss der Anschlussinhaber sicher nicht mehr fürchten neben dem Täter als Störer zu haften. Wenn der Täter sich nicht zu erkennen gibt, kommt es auf die Ausführungen im Rahmen der sekundären Darlegungslast an. Es bleiben insoweit Prozessrisiken.
Neues zur Täterschaftsvermutung/sekundären Darlegungslast BGH I ZR 48/15?
Weiterhin bekräftigt hat der BGH dagegen seine Rechtsprechung aus der Tauschbörsen III Entscheidung, dass der Anschlussinhaber für eine Rechtsverletzung als Täter haftet, wenn keiner der weiteren Nutzer als Täter ernsthaft in Betracht kommt. Soweit hier aktuell gemutmaßt wird, dass der BGH seine Rechtsprechung verschärft habe, ist dies – wohl – nicht zutreffend. Ähnlich wie in der Tauschbörsen III Entscheidung wurde dem Beklagten widersprüchlicher und unstimmiger Vortrag zum Verhängnis. Dazu sind die Ausführungen der Vorinstanz des OLG Kölns vom 6. Februar 2015 Az. 6 U 209/13 lehrreich:
Die gegen ihn sprechende Vermutung der Täterschaft hat der Beklagte nicht wiederlegt. Er hat nicht die ernsthafte Möglichkeit aufgezeigt, dass die Rechtsverletzung ohne sein Wissen erfolgt ist. Soweit der Beklagte in erster Instanz vorgetragen hatte, die Internetnutzung sei über zwei im Haushalt befindliche Computer allen Familienmitgliedern möglich gewesen (Bl. 166 f., 168 GA), steht aufgrund der Aussage der Zeugin T2 fest, dass die Familie im streitgegenständlichen Zeitraum zwar über zwei Rechner verfügte, von denen einer in den Zimmern der Kinder stand und der andere im Wohnzimmer, dass jedoch nur der Rechner im Wohnzimmer an das Internet angeschlossen war. Dies entspricht auch der letzten Darstellung des Beklagten in zweiter Instanz.
Der Internetrechner wurde von der ganzen Familie genutzt, eigene Benutzerkonten gab es nicht. Die Internetnutzung der Kinder war damals zeitlich auf jeweils eine halbe Stunde pro Tag begrenzt, das Zeitlimit wurde eingehalten. Die Zeugin T2 hatte die Kinder bei der Internetnutzung regelmäßig im Blick. Nach ihrer Aussage im Beweisaufnahmetermin vor dem Senat schaute sie beim Vorbeigehen immer mal wieder nach, was die Kinder gerade am Rechner machten, und sie ließ sich dies dann manchmal auch erklären.
Wie es ausgehend von dieser Sachlage geschehen konnte, dass der Familienrechner hinter seinem Rücken für illegales Filesharing genutzt wurde, hat der Beklagte nicht plausibel dargelegt. Soweit er zunächst vorgetragen hat, sowohl seine Ehefrau als auch seine beiden Kinder hätten damals selbstständigen Zugang zu seinem Internetanschluss gehabt und kämen als Täter der Rechtsverletzung in Betracht, steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme fest, dass die Zeugin T2 als Täterin ausscheidet. Die Richtigkeit ihre Aussage in erster Instanz, im November / Dezember 2007 noch keine Kenntnis von Internettauschbörsen gehabt zu haben, wurde und wird von keiner der Parteien in Zweifel gezogen. Der Senat ist nach erneuter Anhörung der Zeugin T2 ebenfalls davon überzeugt, dass diese kein Filesharing betrieben hat. Auf der Grundlage der Aussagen der Zeugin T2 hatten die Kinder keinen so selbständigen Zugang zum Internet, dass sie ernsthaft als Alleintäter des streitgegenständlichen Downloadangebotes mit 809 Titeln in Betracht kommen. Außerdem hat der Beklagte keine nachvollziehbare Erklärung dafür abgegeben, wie es den Kindern überhaupt hätte gelingen können, von ihm nicht entdeckt zu werden. Zu seiner eigenen konkreten Internetnutzung hat der Beklagte nichts vorgetragen. Er hat auch nicht vorgetragen, dass 2007 / 2008 auf dem mit dem Internet verbundenen Rechner keine Filesharing-Software installiert gewesen war und/oder dass die streitgegenständlichen geschützten Dateien nicht auf dem Rechner vorhanden gewesen waren. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 16.01.2015 hat er vielmehr angegeben, nach der Abmahnung durch die Klägerinnen den Rechner nicht untersucht zu haben, weil für ihn von Anfang an klar gewesen sei, dass niemand aus seiner Familie hier als Täter in Betracht komme.
Es vermag nicht wirklich zu überraschen, dass der BGH diese Ausführungen des OLG Kölns für zutreffend und überzeugend hielt.
Fazit:
In meiner Praxis ist gerade in den letzten 15 Monaten der Fall häufig aufgetreten, dass Gäste aus dem Ausland die Rechtsverletzung begingen. Oftmals haben diese die Verletzung auch eingeräumt. In diesen Fällen können die Anschlussinhaber sowohl die Unterlassung als auch jegliche Kostenerstattung zurückweisen. Anders stellt sich der Sachverhalt dagegen dar, wenn bereits eine Abmahnung zugegangen ist, dann bestehen Prüf- und Überwachungspflichten.
Ferner kann die Täterschaftsvermutung nur derjenige durchbrechen, der einen stimmigen Sachvortrag voträgt, aus dem sich die mögliche Täterschaft eines Dritten ergibt.
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