BGH zur strafbaren Täuschung bei Abmahnungen
Der BGH hat sich mit Beschl. v. 08.02.2017, Az.: 1 StR 483/16 nunmehr dahingehend geäußert, dass in dem Ausspruch einer Abmahnung konkludent damit mit zum Ausdruck, komme dass die Abmahnung nicht rechtsmissbräuchlich sei.
Mit der Geltendmachung der Abmahnkosten als dem Mitangeklagten W. entstandenen Schaden für die Beauftragung eines Rechtsanwalts zur Durchsetzung wettbewerbsrechtlicher Ansprüche ist tatbestandlich eine Täuschung der abgemahnten Ebayverkäufer im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB zu sehen. Insofern erklärte der Angeklagte in den Schreiben aus Sicht der Empfänger zumindest konkludent, dass der Forderung ein wettbewerbsrechtlich bedeutsamer Abmahnvorgang zugrunde lag und dass es nicht um die bloße Generierung von Rechtsanwaltsgebühren ging, es sich mithin um keine rechtsmissbräuchliche Geltendmachung der Ansprüche aus §§ 9, 12 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 3 Abs. 3 UWG und dem Anhang zu § 3 Abs. 3 Nr. 23 UWG handelte (vgl. zur konkludenten Erklärung einer ordnungsgemäßen Tarifberechnung BGH, Beschluss vom 9. Juni 2009 - 5 StR 394/08, NJW 2009, 2900; aA und eine Verkehrsanschauung dahingehend verneinend, dass bei einer Abmahnung nach UWG miterklärt werde, nicht rechtsmissbräuchlich die Forderung geltend zu machen: OLG Köln, NJW 2013, 2772, 2773).
Das Handeln des Angeklagten und des Mitangeklagten W. war jedoch rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG. Diese Vorschrift führt als typischen Fall der unzulässigen, weil rechtsmissbräuchlichen Geltendmachung der Ansprüche aus §§ 3, 8 Abs. 1 UWG gerade an, dass vorwiegend ein Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen soll. Das Handeln des Angeklagten und des Mitangeklagten W. war nach den Feststellungen ausschließlich darauf ausgerichtet, solche Einnahmen zu generieren, um ihre wirtschaftliche Lage zu verbessern; weitergehende wettbewerbsrechtliche Ziele verfolgten sie nicht. Die vorliegende Fallkonstellation, in der der abmahnende Mandant mit seinem Rechtsanwalt vereinbart, dass er keine Rechtsanwaltskosten zu tragen habe und er die vom Abgemahnten gezahlten Gelder mit dem Anwalt teilen werde, ist ein "klassischer Fall" des Rechtsmissbrauchs (so Goldmann in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 4. Aufl., § 8 Rn. 661)
.Der BGH zitiert dabei die abweichende Meinung des OLG Kölns vom 14. Mai 2013,III-1 RVs 67/13, welches ausführte:
Aus dem Text der Abmahnschreiben ergibt sich weiterhin keine Täuschung über die Umstände, aufgrund deren die Geltendmachung der Ansprüche als rechtsmissbräuchlich i. S. d. § 8 Abs. 4 UWG zu gelten hat.
Ein Rechtsmissbrauch ist nach dieser Vorschrift insbesondere dann anzunehmen, wenn Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche gemäß § 8 Abs. 1 UWG unter Berücksichtigung der gesamten Umstände vorwiegend geltend gemacht werden, um gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen. Dies ist anzunehmen, wenn sich die Abmahntätigkeit verselbständigt, in keinem vernünftigen Verhältnis zur gewerblichen Tätigkeit des Abmahnenden steht und bei objektiver Betrachtung an der Verfolgung der Wettbewerbsverstöße kein nennenswertes wirtschaftliches Interesse außer dem Gebührenerzielungsinteresse bestehen kann (BGH, Urt. v. 05.10.2000 ‑ I ZR 237/98 -, GRUR 2001, 260 [261]). Indizien dafür können darin gefunden werden, dass es sich um geringfügige oder leicht zu ermittelnde Verstöße handelt, ein finanzschwacher Mitbewerber Abmahnungen in großer Zahl ausspricht, überhöhte Abmahngebühren gefordert werden oder der beauftragte Rechtsanwalt die Wettbewerbsverstöße selbst ermittelt (Köhler a. a. O. § 8 Rdnr. 4.12 m. w. Nachw.). Diese Voraussetzungen sind vorliegend ohne Weiteres erfüllt, da die Angeklagten nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils mit den Abmahnungen keine wettbewerbsrechtlichen Zwecke, sondern aufgrund gemeinsamer Absprache allein die Absicht verfolgten, sich systematisch in einer Vielzahl von Fällen durch Zahlungsverlangen, die weit übersetzt waren, zu bereichern.
Die Schreiben des Angeklagten zu 2) enthalten indessen ausdrückliche Angaben über die den Abmahnungen zugrunde liegende Motivation nicht.
Auch eine konkludente Täuschung darüber ist ihnen nicht zu entnehmen, Sie käme in Betracht, wenn schlüssig miterklärt worden wäre, dass keine sachfremden Motive verfolgt würden. Welcher Inhalt einer Erklärung zukommt, bestimmt sich jedoch maßgeblich nach dem Empfängerhorizont des Adressaten. Dieser mag im Rahmen von Austauschverhältnissen eine wahrheitsgemäße Darstellung aller Tatsachen erwarten können, die für die Beurteilung des Anspruchs wesentlich sind und die er aus seiner Situation nicht ohne weiteres überprüfen kann (BGH NJW 2009, 1443; BGH StV 2002, 82). Im Bereich wettbewerbsrechtlicher Abmahnungen lässt sich aber keine Verkehrsanschauung der beteiligten Kreise feststellen, wonach der Abmahnende zugleich stillschweigend erklärt, mangels Rechtsmissbrauchs hierzu auch befugt zu sein. Der Bereich der wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen ist nicht von einem solchen gegenseitigen Vertrauen der Parteien auf ein rechtskonformes Verhalten der jeweils anderen Partei geprägt. Dies belegt schon die Tatsache, dass der Gesetzgeber es für erforderlich hielt, eine ausdrückliche Missbrauchsklausel zu schaffen, um die naheliegende Möglichkeit, sich durch wettbewerbsrechtliche Abmahnungen zu bereichern, einzuschränken.
Ich persönlich halte die Ausführungen des OLG Kölns, aaO für überzeugender, mit der Abmahnung soll nicht konkludent zum Ausdruck gebracht werden, dass diese nicht rechtsmissbräuchlich ist, ansonsten hätte der Gesetzgeber den Rechtsmissbrauch nicht gesondert regeln müssen. Der BGH hat die Frage aber wie oben dargestellt anders entschieden und danach werden Abmahnungen nun bewertet werden müssen. Abmahner aufgepasst: Ab nun ist jede rechtsmissbräuchliche Abmahnung eine Straftat. Wenn man sich klar macht, wie oft der Einwand des Rechtsmissbrauchs in Zivilverfahren gestellt wird, dürfte das dazu führen, dass viele Verfahren dann gleich beim Strafrichter weiterverhandelt werden müssen.
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