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Sekundäre Darlegungslast im Filesharing, Kaminzimmer und ein Belgier!

Von
Hercule Poirot und sekundäre Darlegunglast

Abmahner wissen (höchstens!), ob ein Internetanschluss zum Filesharing benutzt wurde, aber nicht wer wirklich Filesharing betrieben hat. War es der angeschriebene Ehemann, die Tochter zu Besuch oder der Sohn, der seit Beginn der Pubertät nicht sein Zimmer verlassen hat? Der Abmahner weiß dies nicht. Er weiß noch nicht einmal, wer überhaupt Zugriff hatte, war jemand zu Besuch? Gab es eine Feier? Teilt sich der Anschlussinhaber den Anschluss mit dem Nachbarn. Mit anderen Worten Agatha Christie hätte Ihre wahre Freude gehabt.

Der Bundesgerichtshof hat nun so etwas entwickelt wie ein virtuelles Kaminzimmer, welches mit allen Beteiligten zu füllen ist und in dem dann der Abmahner den Täter präsentieren kann und das geht so:

Der BGH sagt zur Nutzung, dass vermutet wird, der Anschlussinhaber hätte die Tauschbörse genutzt. Es war Ihr Anschluss, deshalb werden Sie es auch gewesen sein. Der BGH nennt das eine „tatsächliche Vermutung“. Mit anderen Worten, wenn nur eine Person im Kaminzimmer sitzt, muss der Abmahner kein Hercule Poirot sein, um den Täter zu ermitteln.

Es ist also im Interesse des angeschriebenen Anschlussinhabers das Kaminzimmer mit Personen zu füllen, die ebenfalls als Täter in Betracht kommen, weil nur dann die tatsächliche Vermutung erschüttert werden kann. Der BGH (Urt. v. 30.03.2017, Az. I ZR 19/16 – Loud) meint dazu:

„Eine die tatsächliche Vermutung ausschließende Nutzungsmöglichkeit Dritter ist anzunehmen, wenn der Internetanschluss zum Verletzungszeitpunkt nicht hinreichend gesichert war oder bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde. In solchen Fällen trifft den Inhaber des Internetanschlusses jedoch eine sekundäre Darlegungslast.“

Es macht also keinen Sinn, den Großneffen aus Amerika ins Kaminzimmer zu bemühen, wenn dieser gar nicht als Täter in Betracht kommt, weil er am Tag der Rechtsverletzung nicht vor Ort war. Der BGH AZ I ZR 154/15 - Afterlife führte dazu in der Entscheidung vom 6. Oktober 2016 aus:

„Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast vielmehr dadurch, dass er dazu vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen.“

Allerdings fordert der BGH dann noch weiter vom Anschlussinhaber, dass er eine Vorbefragung durchführt und die Ergebnisse der Befragung mitteilen. Ferner muss er die Personen vorstellen und darstellen, warum diese als Täter in Betracht kommen. Der BGH, aaO Afterlife führt aus wie folgt:

„In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren zu Nachforschungen sowie zur Mitteilung verpflichtet, welche Kenntnisse er dabei über die Umstände einer eventuellen Verletzungshandlung gewonnen hat. Die pauschale Behauptung der bloß theoretischen Möglichkeit des Zugriffs von im Haushalt lebenden Dritten auf den Internetanschluss genügt hierbei nicht. Der Inhaber eines Internetanschlusses hat vielmehr nachvollziehbar vorzutragen, welche Personen mit Rücksicht auf Nutzerverhalten, Kenntnisse und Fähigkeiten sowie in zeitlicher Hinsicht Gelegenheit hatten, die fragliche Verletzungshandlung ohne Wissen und Zutun des Anschlussinhabers zu begehen.“

Wenn diese Informationen mitgeteilt werden, namentlich:

  1.     Wer hatte zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung wie Zugriff auf Internetanschluss?
  2.     Welche Kenntnisse hatte die jeweilige Person bezüglich Tauschbörsen
  3.     Was hat die Nachforschung ergeben?

Gerade die letzte Anforderung (Nachforschung oder Befragung) im Rahmen der sekundären Darlegungslast sorgt oft für Irritationen, weil daraus oft gefolgert wird, es müsse der Täter benannt werden. Das ist nicht so, faktisch ist es aber eher so, als ob – um in unserem Bild zu bleiben – nach einem lauten Schrei und Knall der Gastgeber seine Gäste befragt, ob sie dafür verantwortlich sind.  Wenn alle die Tat abstreiten, heißt das nicht, dass der zufällig anwesende Detektiv davon ausgeht, dass alle die Wahrheit sagen. Vielmehr wird der Detektiv verlangen, dass alle Verdächtige in der Bibliothek versammelt werden. Dann ist es aber seine Aufgabe den Täter zu präsentieren.  

Der BGH (Urt. v. 30.03.2017, Az. I ZR 19/16 – Loud) fasst das so zusammen:

„Entspricht der Beklagte seiner sekundären Darlegungslast, ist es wieder Sache der Klägerin als Anspruchstellerin, die für eine Haftung der Beklagten als Täter einer Urheberrechtsverletzung sprechenden Umstände darzulegen und nachzuweisen“

Übrigens Anschlussinhaber fahren in Prozessen am besten, in denen sie einfach diesen Pflichten nachkommen und abzuwarten. Sies sollten davon absehen das Gericht darüber zu belehren wie überflüssig eine Befragung doch sei, oder gar warum man diese nicht durchgeführt habe. Leider stehen sich Beklagte oft selbst im Weg. Aber auch das ist keine allzu große Überraschung, denn schließlich gilt: "Eine der größten Schwächen der Menschheit ist ihre Unfähigkeit, ruhig in einem Zimmer zu sitzen." - Hercule Poirot in "Mord im Orientexpress" von Agatha Christie.

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