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Zivilrechtlicher Auskunftsanspruch beim Filesharing nach BGH ohne Richtervorbehalt?

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Der BGH I ZR 121/08 hat in seiner Entscheidung vom 12. Mai 2010 zur Rechtsnatur von IP-Adressen ausgeführt, dass „die IP-Adressen von Anschlussinhabern als Bestandsdaten“ einzuordnen seien.

Damit wurde einerseits ein Rechtsstreit geklärt, nämlich, ob die Anfrage von Staatsanwaltschaften bei Providern ohne richterlichen Beschluss rechtlich erlaubt ist. Antwort: Ja, das ist erlaubt. Nur ist diese Frage heutzutage zumindest bei Urheberrechtsverletzungen in Tauschbörsen wegen des zivilrechtlichen Auskunftsanspruchs kaum noch praktisch relevant.
Gleichzeitig hat der BGH aber ein zweites Problemfeld eröffnet: Die mögliche Beschränkung des Richtervorbehalts wie im zivilrechtlichen Auskunftsanspruch nach § 101 Abs. 1 in Verbindung mit § 101 Abs. 9 §§ UrhG vorgesehen.
Nach § 101 Abs. 9 ist die richterliche Anordnung aber nur erforderlich,wenn die Auskunft „nur unter Verwendung von Verkehrsdaten (§ 3 Nr. 30 des Telekommunikationsgesetzes) erteilt werden“ [kann].
In den Auskunftsbeschlüssen, die etwa von der Kanzlei Rasch aus Hamburg „wegen der unerlaubten Verwertung geschützter Tonaufnahmen“ beim Landgericht Bielefeld erwirkt werden, wird auch von den Richtern davon ausgegangen, dass eine Beauskunftung nur unter Verwendung von Verkehrsdaten möglich ist.
Nun liegt es nahe, dass bei einer Beauskunftung (Zuordnung der dynamischen Adresse zu der Adresse des Anschlussinhabers) zumindest „auch“ auf die Verkehrsdaten zugegriffen werden muss. Der BGH erteilt dieser Auslegung aber zumindest bei strenger Lesart eine Absage, wenn er ausführt, dass sich der gesamte Zuordnungsprozess (Auskünfte über den Namen des hinter der IP-Adresse stehenden Anschlussinhabers) „nach den Regelungen des Telekommunikationsgesetzes über die Bestandsdatenabfrage“ richtet.

Wenn dem so wäre, könnten Rechteinhaber argumentieren, dass der Richtervorbehalt des § 101 Abs. 9 auf die Zuordnung von IP-Adressen in Tauschbörsenverfahren, weil es sich nicht um Verkehrsdaten sondern nach BGH um Bestandsdaten handle, keine Anwendung finde. Folgerichtig gibt es nach meinen Informationen bereits die ersten Begehrlichkeiten von Rechteinhabern, sich direkt an den Provider zu wenden.
Diese Lesart ist meines Erachtens aber nicht richtig, denn der Gesetzgeber ist – wie der BGH auch zitiert – schon in der Vergangenheit davon ausgegangen, dass es sich bei einer IP-Adresse um Bestandsdaten handelt. Dennoch wurde im § 101 Abs. 9 UrhG der Verweis auf § 3 Nr. 30 des Telekommunikationsgesetzes, also auf die Verkehrsdaten, trotz mehrfacher Gesetzesänderungen kommentarlos beibehalten. Auch gehen die mir vorliegenden Auskunftsbeschlüsse – trotz der bekannten Auseinandersetzung – sehr selbstverständlich davon aus, dass eben auch auf Verkehrsdaten zugegriffen wird. Ein Auskunftsanspruch allein nach § 101 UrhG wäre nach meiner Meinung auch weder mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung als Ausfluss des Persönlichkeitsrechts noch mit den Vorgaben des BVerfG in Einklang zu bringen.

Es wird also ein neues Feld der juristischen Auseinandersetzung eröffnet. Es bleibt nun abzuwarten, wie sich die Provider verhalten, wenn unter Bezug auf dieses BGH-Urteil die ersten Anfragen von Rechteinhabern erfolgen. Hoffentlich agieren sie wehrhaft mit den Daten Ihrer Kunden.

Ihr

Dr. Alexander Wachs

PS: Das Thema wird derzeit auch auf gulli.com diskutiert.

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