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LG Hamburg AZ 310 O 264/13 v. 20.2.2014: Zurück in die Vergangenheit

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Mir wurde gestern die Entscheidung des LG Hamburgs AZ 310 O 264/13 v. 20.2.2014 zugesandt, nachdem ich an dem Verfahren nicht beteiligt war, respektiere ich selbstverständlich, dass mir diese zunächst nur zur Besprechung und nicht zur Veröffentlichung zugesandt wurde. Daher zitiere ich hier nur ausgewählte Passagen. Ich halte dieses Urteil für extrem unglücklich und zwar aus vielerlei Gründen.

1. Rechtliche Beurteilung
Das Landgericht hat bei dem Filmwerk „Junge Mädchen brauchen Geld“ einen  Unterlassungsstreitwert von 22.500,00 EUR angenommen:

„Der angesetzte Streitwert von EUR 22.500,00 ist bei täterschaftlicher Begehung und (erst recht) bei der vorliegenden Inanspruchnahme von zwei Anspruchsgegnern jedenfalls nicht überhöht“.

Hier hat das Landgericht mit einem Satz und ohne inhaltliche Begründung eine jahrelange Entwicklung abgebügelt, den Wert der Unterlassung an dem Einzelfall namentlich an objektiven Kritierien wie Produktionskosten, Lizenzerträge der Produktion usw. festzumachen. Folgerichtig wurden auch 911,80 EUR zugesprochen.

Hinsichtlich des Schadensersatzes führt das Gericht aus:

Der Höhe nach erscheint der Betrag von EUR 400,00 EUR jedenfalls nicht zu gering. Vernünftige Vertragsparteien hätten für eine Nutzung der vorliegenden Art – das Anbieten des Films in einer Tauschbörse zum kostenfreien Herunterladen und anschließendem Weiterverbreiten durch den Herunterladenden) mindestens eine Lizenz in dieser Höhe vereinbart.“

Auch hier macht es sich das Gericht viel zu einfach. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der bestehenden juristischen Diskussion und zur Rechtsprechung des Amtsgerichts Hamburgs findet nicht statt. Zumindest wäre hier ein „obiter dictum“ zu den gerichtsbekannten Fragen geboten gewesen.

2. Hinsichtlich der GüFA Problematik führt das Gericht aus:

„Die Einwendungen aus dem Schriftsatz vom 30.1.2014 habe keine Berücksichtigung zu finden, da dieser (nicht nachgelassene) Schriftsatz erst nach der mündlichne Verhandlung vom 16.1.2014 eingereicht wurde. Zudem lässt der vorgelegte „Mustervertrag“ keine zwingenden  Rückschlüsse auf den Inhalt der konkret zwischen der GüFA und der Klägerin geschlossenen Vereinbarungen zu.“

Abgesehen davon, dass ich das inhaltlich nicht so Recht nachvollziehen kann – ein  Mustervertrag lässt gerade Rückschlüsse auf die übliche Praxis zu. Halte ich die Präklusion hier für nicht zwingend. Schließlich liegen mir mehrere Hinweise der Amtsgerichte vor, nach denen die GüFA Problematik einschließlich der Musterverträge und weitreichenden Übertragungen gerichtsbekannt sind. Zumal die Klägerin – so muss ich andere Stellen des Urteils deuten – zur GüFA scheinbar selber etwas vorgetragen hat.

2. Gesamtbetrachtung
Die Amtsgerichte in ganz Deutschland und viele Landgerichte oder gar Oberlandesgerichte und nicht zuletzt der Gesetzgeber haben Kritik geübt an der vergangenen Gerichtspraxis. Entgegen des vielen Unsinns, der zu dem Thema im Internet geschrieben wird, ist es natürlich richitg, dass Rechteinhaber angemessen gegen die Verbreitung ihrer Werke in Tauschbörsen geschützt werden müssen. Das gilt für Urheber, Plattenfirmen und Vertriebe. Schutz ist aber nicht gleichzusetzen mit hohen Geldersatzansprüchen insbesondere nicht anwaltlichen Kostenerstattungsansprüchen. Schutz bedeutet nicht, dass spezialisierte Anwaltskanzleien über 3.500 EUR einklagen können müssen, um einen Stab von über 50 Anwälten zahlen zu können. Schutz bedeutet nicht, dass bei dem Hersteller von Nischenfilmen die Sektkorken knallen, wenn ihr für 3.000,00 EUR produzierter Film, mit dem vielleicht 5.000,00 EUR zu verdienen war,  von einem Dummkopf (First Seeder)  zum Download angeboten wird und 30 Andere  sich den Film anschauen möchten, ihn deswegen herunterladen und währenddessen automatisiert für 1-2 Stunden ebenfalls anbieten, nämlich bis der Film auf der heimischen Festplatte ist.

Wenn das Landgericht die Masse der Verfahren „kalt lassen“ und es eine Rechtsprechung fortzuführen gedenkt, die schon seit Jahren überwunden zu sein schien, dann sollte es wenigstens die eigene Rechtsauffassung nachvollziehbar begründen. Dann wissen wir wenigstens WARUM, es „Zurück in die Vergangenheit“ gehen soll. Das wäre nach meiner Meinung das Mindeste gewesen und ärgert mich fast mehr als das Ergebnis.

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