LG Köln hegt Bedenken an Ermittlungsergebnissen von Log Firma in Filesharing – OLG Köln 6 W 82/11 vom 7.9.2011 bestätigt
Viele Abgemahnte wundern sich, wie denn die abmahnende Kanzlei an die eigene IP-Adresse gekommen sei und ob alles mit rechten Dingen zugegangen sei. Gerade bei Erotik ist es auch als Berater schwierig zu ermitteln, ob die Ermittlung tatsächlich wie von dem Mandanten vorgetragen unrichtig sein muss, oder ob der Mandant nur Diskussionen mit der Ehefrau vermeiden möchte.
Auch die Gerichte haben schon desöfteren mehr oder weniger zwischen den Zeilen Bedenken an den Aussagen der Beklagten geäußert. Letztlich ist der Argumentationsschluss so, dass das Gericht mutmaßt, wenn die Telekom jemanden zu der IP-Adresse zu der Urhzeit ermittelt hat, wird das schon so stimmen. Wie es aber sein kann, dass eine Vielzal von Abfragen ebim Provider ins Leere gehen (keine Session gefunden!), wenn die Log Firma und der Provider beide unfehlbare Systeme haben, das wird mir wohl nie jemand erklären wollen können.
Umso erfreulicher wenn das Landgericht Köln und auch die Folgeinstanz 6 W 82/11 vom 7.9.2011 das Oberlandesgericht Köln einmal die sog. Beweise kritisch unter die Lupe nehmen. Das liest sich dann so:
Aktenzeichen:
6 W 82/11Vorinstanz:
Landgericht Köln, 214 O 3/11Leitsätze der Redaktion :
1. Im Rahmen eines Auskunftsersuchen nach § 101 UrhG soll die Zuordnung nur bei einer offensichtlichen Rechtsverletzung erfolgen.
2. Um die Zuverlässigkeit einer Ermittlungssoftware festzustellen, genügt nicht der Nachweis, dass diese Rechtsverletzungen zutreffend ermittelt. Vielmehr ist eine Untersuchung erforderlich, ob es ausgeschlossen ist, dass IP-Adressen fehlerhaft ermittelt werden. Hierfür besteht insbesondere dann Anlass, wenn es in der Vergangenheit bereits zu einer fehlerhaften Ermittlung von Rechtsverletzungen durch die eingesetzte Ermittlungsfirma gekommen ist.
3. Die Einholung eines neuen Gutachtens ist jedenfalls dann nicht angezeigt um dem Offensichtlichkeitserfordernis zu genügen, wenn bereits 6 Monate vergangen ist, weil davon auszugehen ist, dass eine Vielzahl von Parametern mittlerweile geändert wurden.Tenor:
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 14. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 214 O 3/11 – vom 16.3.2011 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.
G r ü n d e :
Die gemäß § 101 Abs. 9 S. 4, 6 und 7 UrhG, §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde gegen die Zurückweisung des Antrags auf Erlass einer richterlichen Anordnung über die Zulässigkeit der Verwendung von Verkehrsdaten hat keinen Erfolg, weil nicht festgestellt werden kann, dass von den in der Anlage ASt. 1 aufgelisteten IP-Adressen aus Rechtsverletzungen begangen worden sind.
Eine Anordnung nach § 101 Abs. 9 UrhG setzt voraus, dass eine offensichtliche Rechtsverletzung im Sinne des § 101 Abs. 2 UrhG vorliegt. Dabei bezieht sich das Erfordernis der Offensichtlichkeit in § 101 Abs. 2 UrhG neben der Rechtsverletzung auch auf die Zuordnung dieser Verletzung zu den begehrten Verkehrsdaten. Nach der Gesetzesbegründung soll durch dieses Tatbestandsmerkmal gewährleistet werden, dass ein Auskunftsanspruch nur dann zuerkannt wird, wenn eine ungerechtfertigte Belastung des Auskunftsschuldners ausgeschlossen erscheint; zugleich sei unter diesen Voraussetzungen auch der Verletzer nicht mehr schutzwürdig (BT-Drucks. 16/5048, S. 39). Der Schutz des unbekannten Dritten, dem das gesamte Verfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG dient, erfordert es daher, dass auch die Zuordnung der Rechtsverletzung zu den verfahrensgegenständlichen Verkehrsdaten dem Maßstab der Offensichtlichkeit gerecht wird (Senat, GRUR-RR 2009, 9, 11).
Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Das Landgericht hat auf der Grundlage des damaligen Verfahrensstandes sehr nachvollziehbare Bedenken im Hinblick auf den Umgang der Antragstellerin mit der Erstellung und Vorlage von eidesstattlichen Versicherungen aufgezeigt. Ob diese Bedenken auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens durchgreifend sind, oder ob das Verhalten der Antragstellerin auf der uneinheitlichen Praxis der verschiedenen zuständigen Kammern des Landgerichts Köln beruht und daher keine Rückschlüsse auf eine generelle Unzuverlässigkeit bei der Ermittlung und Darlegung der Rechtsverletzungen durch die Antragstellerin zulässt, kann indes dahinstehen, weil bereits grundsätzlich nicht festgestellt werden kann, dass das von der Antragstellerin eingesetzte Verfahren, insbesondere die Software, hinreichend zuverlässig Rechtsverletzungen ermittelt.
Die Antragstellerin setzt zur Erfassung der IP-Adressen das von ihr selbst entwickelte Such- und Überwachungsprogramm „Seeder Seek“ ein. Dieses Programm ermittelt – nach Eingabe der zu suchenden Hashwerte – weitgehend selbständig IP-Adressen, von denen aus Dateien mit entsprechenden Hashwerten aus angeboten werden. Auf Anfrage des Senats hat die Antragstellerin das Gutachten eines Unternehmens, das ausweislich seiner Firma EDV-Lösungen anbietet, vorgelegt. In dem Gutachten, das von der „Geschäftsleitung/CEO“ unterschrieben ist, ist dokumentiert, dass zwei Dateien, die in jeweils zwei verschiedenen Tauschbörsen angeboten worden sind, durch das Programm zutreffend aufgefunden worden seien. Auf den Hinweis des Senats, aus dem Gutachten ergebe sich weder die fachliche Qualifikation des Gutachters noch, ob Fehler ausgeschlossen sind, hat die Antragstellerin ein neues Gutachten angeboten.
Danach kann nicht mehr ermittelt werden, ob von den angegebenen IP-Adressen aus offensichtlich Rechtsverletzungen begangen worden sind:
Der bisherige Sachvortrag der Antragstellerin genügt nicht, um von der Zuverlässigkeit der Ermittlung der IP-Adressen auszugehen. Die eingesetzte Software ist nicht hinreichend validiert. Der Vortrag der Antragstellerin, die von ihr entwickelte Software arbeite zuverlässig, ist letztlich nur eine Behauptung. Auch die hierzu vorgelegte eidesstattliche Versicherung des Geschäftsführers der von der Antragstellerin beauftragten Ermittlungsfirma beschränkt sich auf diese Wertung, die jedoch durch den Senat nicht nachvollzogen werden kann. Das vorgelegte Gutachten ist aus den bereits im Hinweis des Senats dargelegten Gründen unzureichend. Um die Zuverlässigkeit der Software festzustellen, genügt nicht der Nachweis, dass sie Rechtsverletzungen zutreffend ermittelt. Vielmehr ist eine Untersuchung erforderlich, ob es ausgeschlossen ist, dass IP-Adressen fehlerhaft ermittelt werden. Hierfür besteht vorliegend besonderer Anlass, weil es in der Vergangenheit bereits zu einer fehlerhaften Ermittlung von Rechtsverletzungen durch die eingesetzte Ermittlungsfirma gekommen ist, wie dies die 24. Zivilkammer in dem Beschluss vom 15.8.2011 (Az.: 224 O 212/11), der Gegenstand des Verfahrens vor dem Senat 6 W 178/11 war, dargelegt hat.
Die Einholung eines neuen Gutachtens (durch einen fachkundigen und unabhängigen Sachverständigen) ist nicht angezeigt, weil dadurch nicht festgestellt werden kann, ob die eingesetzte Software im Februar 2011 zuverlässig gearbeitet hat. Selbst wenn man davon ausginge, dass die Software selbst unverändert geblieben ist (und die frühere Fehlermittlung nicht auf der Software, sondern menschlichem Versagen beruhte), ist doch nicht ersichtlich, dass auch alle weiteren technischen Parameter, von denen die korrekte Arbeitsweise der Software abhängen kann (Arbeitsweise/Version der Programme der aufgesuchten Tauschbörsen; sonstige Veränderungen der Systeme) unverändert geblieben sind und dies zudem beweissicher dokumentiert ist. Aus diesem Grund erfordert auch § 45g TKG eine zu dokumentierende fortlaufende Qualitätssicherung und eine regelmäßige (jährliche) Kontrolle der zur Ermittlung der dort in Rede stehenden Verbindungsdaten eingesetzten Systeme. Es ist daher ausgeschlossen, entsprechende Feststellungen nach Ablauf von mehr als sechs Monaten nach der angeblichen Rechtsverletzung mit einer dem Offensichtlichkeitserfordernis genügenden Verlässlichkeit nachzuholen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 101 Abs. 9 S. 4 UrhG i.V.m. § 84 FamFG.
Die Festsetzung eines Beschwerdewerts ist im Hinblick auf § 131a Satz 1, § 128e Abs. 1 Nr. 4 KostO nicht veranlasst.
Fazit: Die Gerichte scheinen aufzuwachen und durchaus kritischer hinzuschauen. Ich werde diesen Beschluss natürlich noch einmal vertieft hier kommentieren. Aber bereits jetzt sehe ich die zentrale Besonderheit darin, dass das Gericht zum ersten Mal die Anforderungen des TKG an die Ermittlungsfirmen heranträgt und dazu noch überzeugend ausführt, warum einer Begutachtung eines IT-Systems Monate nach der Ermittlung nur wenig Bedeutungskraft innewohnen kann. Für Praktiker ein immens wichtiger Hinweis vom OLG Köln, den man gar nicht hoch genug bewerten kann.
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